Interview: Jana Forsthuber

Obfrau Service Civil International Austria

Aus Anlass des zweiten Workcamps „Wikipedia for Peace“, das gerade als Zusammenarbeit zwischen Service Civil International (SCI) und Wikimedia Österreich in Tirol stattfindet, bringen wir ein Interview mit der SCI-Friedensaktivistin Jana Forsthuber. SCI ist eine der ältesten Friedens- und Freiwilligenorganisationen (NGO/NPO) weltweit, mit über 90 Jahren an Erfahrung in der Koordination von Freiwilligenprojekten sowie Austauschprogrammen. Seit 2015 arbeitet Wikimedia Österreich mit dem lokalen Zweigverein des SCI zusammen, um über gemeinsame Projekte Freies Wissen – insbesondere die Wikipedia und ihre Schwesterprojekte – als Instrument für mehr Toleranz und gesellschaftliche Teilhabe zu nutzen. Warum das heute und in Zukunft aktuell und wichtig ist, erzählt Jana Forsthuber in unserem Interview.

 

Warum ist auch in einer friedlichen Gesellschaft Engagement rund um Friedensthemen wichtig und wo liegen hier aus deiner Sicht aktuell die größten Herausforderungen in Österreich und Europa?

Es fällt mir schwer zu sagen, ab wann eine Gesellschaft als wirklich “friedlich” gilt. Immerhin beeinflussen auch wir mit unserem Lebensstil und unserer Politik sehr viele andere Gesellschaften, wobei nicht immer klar ist, ob wir damit zu mehr Frieden beitragen. Aus meiner Perspektive sehe ich im Moment vor allem die starke Tendenz, sich als “Gesellschaft” von anderen abzugrenzen, als Problem. Sobald sich die Diskussion Themen wie Religion und Werten zuwendet, kommt es schnell zu der Frage, was wen von wem abgrenzt, obwohl es viel wichtiger wäre, die zusammenhaltenden Aspekte zu fördern. Ich glaube, sowohl in Österreich als auch Europa ist es momentan unglaublich wichtig, globale Zusammenhänge zu hinterfragen und dennoch im kleinen Umfeld zu erkennen, dass sich einzelne Menschen nicht nur durch die Gesellschaft definieren lassen, in der sie vermeintlich aufgewachsen sind.

Außerdem vertritt das Engagement für Friedensthemen, wie ich es sehe, die Interessen aller, während es weit üblicher ist, nur die eigenen Interessen zu vertreten.

Welchen Beitrag kann Freies Wissen für eine friedlichere Gesellschaft leisten?

Ich glaube daran, dass Bildung und Wissen eine gute, wenn nicht sogar die beste Basis für eine friedliche Gesellschaft ist. Natürlich kann nie jemand garantieren, welches Wissen das “wahre Wissen” ist, aber wir sollten immer danach streben, die Komplexität so viel wie möglich zu begreifen. Freies Wissen heißt vor allem, allen den Zugang dazu zu gewährleisten und einen Schritt weiter in Richtung Chancengleichheit, Aufklärung, Demokratie und globales Verständnis zu machen.

Was macht Wikimedia Österreich zu einem guten Verbündeten für eure Arbeit?

Die Idee zu der Zusammenarbeit kam von meinem Kollegen Thomas Schallhart, der in seiner Freizeit in unzähligen Projekten und Themenbereichen engagiert ist. Mit Wikimedia haben wir einen Verbündeten in dieser Vielfältigkeit gefunden, bei welchem es auch gewisserweise darum geht, nicht nur in großen Maßstäben zu denken, sondern auch aktiv zu handeln. Auch im SCI haben wir ein riesiges internationales Netzwerk, aber in Österreich sind wir einfach eine Gruppe sympathischer Leute, die kooperativ arbeiten und für neue Mitglieder aus allen Interessensbereichen und Altersgruppen sehr offen sind. Als solche habe ich auch die Menschen hinter Wikimedia Österreich kennengelernt.

Was war dein persönlicher Höhepunkt in der bisherigen Zusammenarbeit?

Im Sommer 2015 war ich zwei Wochen bei dem Workcamp “Wikipedia for Peace” als Campkoordinatorin tätig. 12 europäische Freiwillige kamen dabei in Wien zusammen, um Wikipedia besser kennen zu lernen und sich im Bereich der Friedensthemen zu engagieren. 

Dort habe ich auch an den verschiedenen Workshops teilgenommen und beispielsweise eine Tour durch Wien mitorganisiert, bei der Wikimedia-Commons-Bilder von Denkmälern aufgenommen wurden. Selbst habe ich während den zwei Wochen viel Neues gelernt und vor allem zum Thema Asyl in Österreich recherchiert.

Vielen Lesern der Wikipedia ist nicht bewusst, dass es hinter der Webseite eine Community aus Autoren, Fotografen und Codern gibt oder Wikimedia Vereine, die diese in ihrer Arbeit unterstützen. Wie würdest du diesen Leuten die Community und die Zusammenarbeit mit ihr in wenigen Worten beschreiben?

Es zahlt sich auf jeden Fall aus, die Menschen, die hinter dieser bekannten und viel verwendeten Webseite stehen, persönlich kennen zu lernen. Die Zusammenarbeit war insgesamt sehr unkompliziert und flexibel, was sich dann auch in gemeinsamen Koch-Abenden und gemütlichem Beisammensitzen zeigte. Auch für mich war der niederschwellige Zugang zu Wikimedia überraschend, und diese Erfahrung hilft mir dabei, Wikipedia noch mehr wertzuschätzen und auch in Zukunft selbst mitzugestalten.

Jana Forsthuber [CC BY-SA 3.0]