Interview: Andrea Brait

Andrea Brait hat seit dem Wintersemester 2015/2016 bei verschiedenen Uni-Lehrveranstaltungen mit Wikimedia Österreich und Ehrenamtlichen aus der Wikimedia-Community zusammengearbeitet. Eine wichtige Auswirkung ihres Engagements liegt darin, Studierende zu befähigen, Wikimedia-Projekte wie Wikipedia und Wikiversity im praktischen Einsatz zu verstehen.

MMag. Dr. Andrea Brait, Historikerin, Institut für Zeitgeschichte / Institut für Fachdidaktik, Universität Innsbruck

Wie hat sich aus deiner Sicht die Zusammenarbeit mit Wikimedia Österreich entwickelt?

Ich habe von Anfang an eine große Bereitschaft von Wikimedia zur Unterstützung von Lehrveranstaltungen gespürt und viel Unterstützung erhalten. Mich hat vor allem die Einbindung von Ehrenamtlichen sehr beeindruckt. Meinem Kollegen Christian Wagner von der Universität Wien bin ich für die ersten organisatorischen Schritte sehr dankbar. Ich selbst habe sehr viel über die Arbeit von Wikimedia gelernt und bin nun in der Lage, dieses Medium etwas eigenständiger in die universitäre Lehre einzubinden – das nächste Projekt ist schon in Planung.

Du hast dich in einer Lehrveranstaltung an der Universität Innsbruck den “Basiskonzepten im GSP-Unterricht” gewidmet, worum handelt es sich dabei?

Die Basiskonzepte sind ein neues Element der 2016 neu in Kraft getretenen Lehrpläne für den Unterricht im Fach „Geschichte, Sozialkunde/Politische Bildung (GSP)“ in der Sekundarstufe I (AHS Unterstufe und Neue Mittelschule). Es geht darum, dass Schülerinnen und Schüler anhand von zentralen, immer wiederkehrenden Konzepten (Arbeit, Konstruktivität, Zeitverläufe etc.) lernen. Damit soll der Unterricht neu strukturiert werden.

Da die fachdidaktischen Überlegungen hierzu noch nicht so bekannt sind, wie etwa die Kompetenzmodelle, dachte ich, dass genauere Informationen hierzu wohl nicht nur für Studierende, sondern auch für Lehrkräfte interessant sein könnten. Darum habe ich mich dazu entschlossen, dass die Studierenden einer meiner Lehrveranstaltungen zu diesem Thema nicht nur klassische Stundenkonzepte bzw. wissenschaftliche Arbeiten schreiben, sondern auch etwas produzieren, das dann der Öffentlichkeit zugänglich ist.

Wie hast du für die “Basiskonzepte” Wikiversity eingesetzt und was hast du dir davon erwartet?

Den Studierenden wurde in der Lehrveranstaltung zunächst eine Einführung in das Thema geboten; außerdem wurden sie mit den technischen Aspekten eines Wikis und den allgemeinen Richtlinien von Wikiversity, wie die Zitierregeln, vertraut gemacht. Daraufhin wurden die Studierenden aufgefordert, eine Hauptseite und diverse Unterseiten zu verfassen – Ziel war es also, die neuen Begriffe des Lehrplanes zu erklären. Mit diesem Vorgehen sollten sie die Fähigkeit erwerben, sich selbstständig zu organisieren und eine Zielvorgabe zu erreichen, wie dies im späteren Berufsalltag im Kollegium an einer Schule auch bewältigt werden muss.

Zusätzlich wurden an einem Blocktag in der Lehrveranstaltung Lernvideos zu verschiedenen Basiskonzepten produziert. Hierbei wurde ich von Hans Exenberger unterstützt, der zeitgleich an der Uni Innsbruck eine Ausbildung zum eTutor gemacht hat – ihm danke ich auf diesem Wege sehr herzlich für die wertvollen Hilfestellungen. Die Lernvideos wurden in die Wiki-Seite eingebunden.

Ziel war ein grober Überblick zu diesem neuen Lehrplaninhalt. Meine Erwartungen wurden aber in vielerlei Hinsicht übertroffen. Es sind sehr gut recherchierte Texte und kreative Videos entstanden, die auch von der Geschichts- und Politikdidaktik in Österreich geschätzt werden. Die Wiki-Seite ist mittlerweile bei Zentrum polis, einer wichtigen Plattform, wo es einige weiterführende Informationen und Materialien zum neuen Lehrplan der Sekundarstufe I gibt, verlinkt: http://www.politik-lernen.at/site/grundlagen/politischebildung/lehrplangskpb.

Wie ist dir und deinen Studierenden dabei gegangen?

Nachdem die Studierenden ihre Seiten eigenständig erarbeitet hatten, habe ich beim letzten Blocktag der Lehrveranstaltung noch inhaltliche und formale Hinweise gegeben. Wir haben die Seiten dann gemeinsam vor Ort fertiggestellt.

Das Feedback zur Lehrveranstaltung zeigt, dass die meisten Studierenden die Lehrveranstaltung als anspruchsvoll empfunden haben und diese anderen empfehlen würden.

Was würdest du anderen Lehrenden, Forscherinnen und Forschern raten, die auch mit Wiki-Projekten arbeiten wollen?

Die Arbeit mit Wikis ermöglicht die Förderung von Medienkompetenz, was für Lehrkräfte hinsichtlich des Unterrichtsprinzips Medienerziehung essentiell ist, sondern auch die Vermittlung einer anderen Textsorte als dies in klassischen Seminaren üblich ist. Eine solche Schreibkompetenz ist insbesondere für Lehrpersonen wichtig, zumal diese immer wieder Handouts und ähnliche Texte für Schülerinnen und Schüler verfassen müssen. Man kann den Studierenden mit Wikis sehr schön vor Augen führen, was für eine Darstellung nötig ist, die sich stärker an ein breites Zielpublikum richtet, aber dennoch wissenschaftlich fundiert sein muss. Die Studierenden sind beim Verfassen eines Wikis sehr motiviert, weil sie wissen, dass ihre Texte im Gegensatz zu Seminararbeiten von vielen Menschen gelesen werden.

Bei der Vorbereitung erscheint es mir sehr wichtig, ein Thema zu finden, das groß genug für eine ganze Studierendengruppe und noch nicht in Wikipedia zu finden ist. Für die Suche nach einem geeigneten Thema kann ich sehr die Artikelwünsche von Wikipedia  empfehlen.